Gordon (Blacky)

GordonGordon (alias Blacky) – vom Kaspar-Hauser-Hund zum Klassehund
(Jinny war tot – neun ihrer zwölf Jahre hatte sie mich begleitet, mit mir gearbeitet, Freud und Leid mit mir geteilt. Doch jetzt war sie tot, und ihre Freundin Inka und ich suchten nach einem neuen Kollegen. So gerne ich wegen der guten Eigenschaften einen Welpen von Jinnys Züchter genommen hätten – erstens wäre die Gefahr groß, von einem Hund, der ähnlich aussieht die gleichen Eigenschaften zu erwarten und ihm damit nicht gerecht zu werden, und zweitens gibt es genug unglückliche, tolle Hunde, die im Tierheim sitzen. Also machte ich mich auf die Suche im Internet und stieß auf der Seite des Berta-Bruch-Tierheims auf Gordon.)
Gordon war ein großer Groenendale mit einer mächtigen Macke. Wann immer er sich aufregte, drehte er sich im Kreis, bellte, knurrte und geiferte und biss sich in das Fell seiner Flanken. Groenendales sind aufgeweckte, temperamentvolle, neugierige Hunde mit einem unglaublichen Verlangen zu lernen und zu arbeiten. Nur dass Gordon die ersten Jahre seines Lebens eingesperrt in einen Zwinger oder an der Kette in einem Lagerhaus verbrachte; er hatte keine Ruhe, keine Ansprache oder Sozialkontakte, nur unregelmäßig Futter und keine Reize von außen – ein Kaspar Hauser auf vier Pfoten. Und wie bei Kaspar Hauser hatte seine Seele gelitten, sich sein Sozialverhalten nicht normal entwickeln können und die Not ihn gelehrt, seine überfließende Energie in diese Übersprungshandlung umzulenken.
(Als ich ihn kennen lernte, war Gordon auf einer Pflegestelle. Das bedeutete weniger Stress als der Zwinger im Tierheim. Auch Inka, die alte Wolfspitzhündin, mochte ihn auf Anhieb und nach drei Stunden Autofahrt zog er bei uns ein.)
Er hatte Albträume. Mitten aus dem tiefsten Schlaf fuhr er hoch, drehte sich und biss sich ins Fell. Wenn wir fremde Hunde auf der Straße sahen und er nicht hin durfte - genauso. Er war nicht böse oder aggressiv, nur furchtbar aufgeregt, und er wusste einfach nicht, wie der diese Aufregung kanalisieren sollte. Also fingen wir an zu arbeiten. Zunächst versuchte ich, ihn so müde zu machen, dass er einfach zu erschöpft war, sich aufzuregen. Dann konfrontierte ich ihn mit neuen Situationen. Es klappte! Er lernte so, ruhig an anderen Hunden vorbei zu gehen, Platz und Sitz in ihrer Nähe zu machen und er lernte, dass er mit ihnen spielen durfte, wenn ich es erlaubte. Er lernte auf das „Genug“ zu vertrauen – wo vorher immer Mangel geherrscht hatte, lernte er jetzt, es gibt genug Gelegenheit zum Spiel, es muss nicht sofort sein, es gibt genug Futter, Wasser, Streicheleinheiten, jeden Tag neu. Und er wurde ruhiger. Ich fand ein homöopathisches Arzneimittel, das bei dieser Entwicklung half. Doch immer noch drehte er „durch“, wenn er sich erschreckte, wenn er sich gefesselt fühlte, wenn er Befehle befolgen sollte, die ihm nicht passten. Platz war besonders schlimm. Training mit einer langen Leine war unmöglich, die Angst, sich zu verfangen führte in wilde Panikattacken. Ich war einfach nicht genug verlässliche Führungsperson für ihn. Also fing ich an, meinen Führungsanspruch zu bekräftigen. Musste er vorher vor seinem Essen sitzen, bis ich ihm das Fressen gestattet und wurde er erst begrüßt, wenn ich meine Sachen abgestellt hatte, durfte er jetzt nur nach mir aus der Tür, er musste aufstehen, wenn ich dort lang wollte, wo er gerade lag und vor jeder erbetenen Streicheleinheit Sitz oder Platz machen. Ich fing an, ihm ab und zu über die Schnauze zu greifen und Futter gab es erst, wenn alle anderen gegessen hatten. Streicheleinheiten benutzte ich, um immer wieder kleine Dominanzgesten einzuführen. Ich drehte ihn vorsichtig auf den Rücken, wenn er entspannt lag, griff ihm sanft an die Kehle, kraulte seinen ungeschützten Bauch, legte mein Bein über seinen Rücken, meinen Kopf auf seine Schultern. Dabei immer ohne Gewalt, ruhig und geduldig, bis er sich in der neuen Position entspannt hatte. Jetzt bin ich der Chef. Wo er vor wenigen Wochen noch in furchtbarer Anspannung und Panik „durchdrehte“, als sich über uns ein Gewitter entlud, schaut er mich jetzt zwar ängstlich an, ist aber gleichzeitig mächtig beeindruckt von seiner Chefin, die sich vor keinem Donner fürchtet. Und wenn ihn etwas erschreckt (z.B. Naseputzen) dann knurrt er kurz vor sich hin, orientiert sich dann aber an meinem Verhalten und bleibt gelassen. Heute kommen wir an jedem Hund vorbei – ohne Leine, ohne Gezeter, ohne Stress. Ist ihm etwas nicht geheuer, kuschelt er sich an mein Knie, lässt sich aber auch überzeugen, dass keine Gefahr ausgeht von dem Rind, dem Pferd, der Maschine. Im Herbst werden wir die Begleithundeprüfung machen.
Jetzt ist Gordon ein Groenendale – ein fröhlicher Hund mit Selbstbewusstsein, Neugier und Temperament, der gerne lernt und arbeitet und allem Neuen offen gegenübersteht – ein Klassehund!!!
Danke an das Team vom Bertha-Bruch-Tierheim, die mir Gordon anvertrauten und sich alle erdenkliche Mühe gegeben haben, mich mit Informationen über seine Vergangenheit zu versorgen, die mir das Verstehen seiner Macken erst ermöglichten und damit den Weg zur Heilung öffneten
Gordon & Agnes Wescher.


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