Ira, ein taube Hündin...

Ira wurde am 04.03.02 mit 4 anderen Geschwistern als I-Wurf im Zwinger vom Forthof geboren. Dieser Zwinger ist eine namhafte Adresse im DMC und die Elternverbindung Lisa vom roten Falken-----Dovre Fjeld Yoz war auch super. Als der Wurf 8 Wochen alt war, fuhr ihr Vorbesitzer hin, nachdem ihm der Züchter vom 1. Vorsitzenden des DMC empfohlen worden war, um sich einen Rüden auszusuchen. Aber alle Welpen waren an diesem Tag irgendwie lustlos und müde. Bis auf Ira!! Sie rannte herum und machte ständig Spielaufforderungen. Da sie noch frei war, entschied er sich spontan um und kaufte sie. Der Kaufpreis betrug 936 Euro!!! Ihr Vorbesitzer arbeitet im Porsche Werksschutz und hatte sich Ira als Diensthund gekauft. In der Familie war schon eine 5jährige Rottweilerhündin, die vom ersten Tag an energisch die Erziehung übernahm. Ihr Vorbesitzer schwört Stein und Bein, dass sie am Anfang etwas gehört hätte, Zumindest hätte sie auf laute verbale Äußerungen reagiert. Seine Frau meinte allerdings, da er ja immer mit Händen und Füßen reden würde, hätte sie sich wahrscheinlich an seiner Gestik orientiert. Bei Spaziergängen lief sie sowieso immer der Rottihündin hinterher und so fiel es nicht unbedingt auf ob sie jetzt reagierte oder nicht. In der Welpenstunde flog sie nach der ersten Stunde raus, mit der Begründung, dass der Hund wahrscheinlich verhaltensgestört wäre, da er sich nich verbal korrigieren ließe. Iras Riesenglück war Kessi(Rottihündin). Ohne sie hätte sie nie ein so tolles Sozialverhalten gelernt, wie sie es hat. Sie versteht alle Calming Signals perfekt und nur wenn der andere Hund nicht richtig sprechen kann gibt es manchmal Probleme. Irgendwann fiel dann auf, dass definitiv etwas nicht stimmen kann. Und so wurde mit 14 Monaten unter Narkos in der Klinik ein Audiogramm gemacht, welches eine beidseitige 100%tige Taubheit diagnostizierte. Das war für ihren Vorbesitzer ein riesengroßer Schock, da sie nun nicht mehr als Diensthund in Frage kam. Da er ab er einen neuen Diensthund brauchte und die Rottihündin auch schon im Hause war, musste er Ira schweren Herzens abgeben. Am 08.06.03 war ich in Ludwigshafen mit meiner Labradorhündin auf einem Agilityturnier, als mir zwischendurch jemand einen kleinen Zettel mit einer Handynr. drauf in die Hand drückte. Er meinte, da wäre eine Malihündin als Notvermittlung abzugeben und ich hätte doch ein Herz für Malis. Auf mein Frage warum Notvermittlung, wusste er keine Antwort. Ich weiß bis heute nicht, was mich veranlasste dort anzurufen, denn ich hatte zu dem damaligen Zeitpunkt gar keine Kapazität für einen weiteren Hund. Iras Vorbesitzer war gerade auf dem Weg zum DMC Jahrestreffen nach Aachen und drehte mitten auf der Autobahn um und fuhr nach Ludwigshafen um mir Ira vorzustellen. Als Ira aus ihrer Box sprang, war ich optisch von ihr sofort begeistert. Der perfekte Mali!! Sie stand mit dem Hinterteil zu mir und ich packte sie ohne Vorwarnung ganz fest hinten in die Seite, aber sie drehte sich nicht mal um. Das hat mir sofort unheimlich imponiert. Denn hätte sie in diesem Augenblick schreckhaft reagiert, sprich schnappen oder knurren, wäre das Thema sofort für mich erledigt gewesen. Mein Neffe ist 2 und meine Nichte ist 5. Mehr muss ich nicht sagen!! Ich sagte spontan zu, dass ich sie nehmen würde und wir verabredeten und für das darauffolgende Wochenende zur Übergabe. Dies alles passierte morgens zwischen 10 und 11 Uhr. Als sie wieder fortgefahren waren und meine Aufregung sich ein bisschen gelegt hatte, kamen auch schon die ersten Bedenken. Nachdem mir dann auch noch verschiedende Hundefreunde mit denen ich telefonierte, deutlich zu verstehen gaben, dass ich einen Vogel hätte und eine befreundete Malizüchterin Ira als tickende Zeitbombe bezeichnete, war meine Euphorie komplett verflogen. Ich rief noch am selben Abend dort an um abzusagen. Iras Vorbesitzer sagte daraufhin ganz ruhig, dass er sie mir trotzdem bringen würde, denn er hätte sofort gewusst, dass ich der richtige für sie wäre. Diese Aussage machte mich erst mal sprachlos und dann stimmte ich doch tatsächlich zu (welcher Teufe l mich da geritten hat, weiß ich bis heute nicht). Als Ira dann zu mir kam, beherrschte sie innerhalb von 2 Tagen ihr komplettes „Rudel“! Die ersten 10 Tage liefen super und ich konnte die allgemeine Hysterie im vorhinein in keinster Weise nachvollziehen. Vom ersten Tag an übte ich jeden Morgen mit ihr Zeichen. Sitz, Platz, Fuss, Hier, Steh! Sie lernte rasend schnell und ich lernte weniger schnell. Aber Ira gab mir immer deutlich zu verstehen, wenn sie etwas nicht verstand und ich es besser machen sollte. Ab der 2. Woche bei mir, wurde ihr anscheinend bewusst, dass ihr Vorbesitzer sie definitiv nicht mehr holen würde und dann kam mit aller Macht der ganze Trennungschmerz aus ihr zum Vorschein. Sie wurde extrem aggresiv meiner Labradorhündin gegenüber und war in keinster Weise mehr arbeitsbereit. Alleinebleiben ging gar nicht mehr, sie zerstörte sofort alles. Bei den Spaziergängen ging sie mir mehrfach durch und ich musste mir teilweise wüste Beschimpfungen anderer Spaziergänger gefallen lassen. Einmal rannte sie auf einem Feldweg einem Mofafahrer hinterher, zwang ihn zum Anhalten und verbellte ihrn so lange, bis ich bei ihr war. An diesem Tag habe ich das erste und EINZIGE Mal gezweifelt, ob ich der ganzen Sache gewachsen war. Am nächsten Tag bestellte ich mir dann mit gemischten Gefühlen ein Vibrationshalsband, obwohl mir viele Hundebesitzer mit tauben Hunden gesagt hatten, dass es bei ihnen nicht funtioniert hätte. Nach 3 Tagen war es schon da und es funtionierte vom ersten Augenblick perfekt. Ira reagierte auf den kleinsten Klick und schaute sofort zu mir und ich machte dann mein Fusszeichen(mache ich natürlich auch heute noch so). Nach 5-6 Wochen waren wir dann endlich aus dem gröbsten raus und es ging jeden Tag ein bisschen bergauf. Allerdings investierte ich 110% meiner gesamten Freizeit in den Hund und Ira dankt es mir heute für jede Sekunde. Am 21.06.03 kam Ira zu mir, am 02.11.03 bestanden wir als beste die Begleithundeprüfung. 56 von 60 Punkten, soviel hatte ich selbst mit meiner nichtbehinderten Labra dorhündin nicht. Mittlerweile arbeite ich mit Ira aktiv im VPG-Sport(Vielseitigkeitsprüfung für Gebrauchshunde) und zum Ausgleich Agility. Denn taub hin, taub her, Ira ist trotz ihrer Taubheit ein ganz normaler Mali: Extrem triebig, immer arbeitsbereit und niemals müde. Sie rennt am Tag zwischen 15 und 25 km, ich betone rennt und ist glaube ein sehr glücklicher Mali. Allerdings muss ich eins ganz klar betonen und da kann man von mir denken was man will:Wenn es mit dem Halsband nicht geklappt hätte und sie hätte immer Leinenzwang haben müssen, dann hätte ich sie einschläfern lassen. Denn das wäre für mich eine andere Form von Tierquälerei gewesen. Und alle die, die sagen man könnte leicht einen tauben Hund dazu bringen, dass er zwischendurch immer wieder stehen bleibt und sich umdreht, die haben nur bedingt recht. Was ist wenn Wild aufspringt? Was ist wenn ein triebiger Mali einem Auto nachlaufen will? Da ist nichts mehr gross mit umdrehen! Auch habe ich mit Ira von Anfang an trainiert, dass sie sich aus jeder Entfernung von mit ins Platz legen lässt. Klappt mittlerweile perfekt. Meiner Meinung nach ist aber auch ganz entscheidend, welcher Rasse der Hund angehört. Ich bin der Meinung, dass ein tauber Mali, der sich von sich aus ständig zum arbeiten anbietet, wesentlich leichter auf Handzeichen zu trainieren ist, als manch anderer Rasse. Ira ist wirklich eine extreme Arbeiterin. Und wenn ich es nicht geschafft hätte, sie auf diesen Ausbildungsstan zu bringen, auf dem sie jetzt ist, hätte ich sie nicht verdient. Heute, nach einem Jahr, kann ich sagen, dass wir es geschafft haben. Alles was jetzt noch kommt können wir gelassen angehen. Das Grundfundament steht und mit erst 2 Jahren steht Ira sowieso erst am Anfang ihrer Malikarriere.

PS:
Auch wenn sich unsere Geschichte total super anhört, einen tauben Mali zu führen(und das gilt auch bestimmt für viele andere Rassen) kostet ZEIT, ZEIT, ZEIT!!!!!!
Und man muss J E D E N Tag arbeiten, auch am Wochenende!!
Der 21.06.03 war der Tag der mein Leben veränderte. An dem Tag kam Ira!
Das Beste, was mir hundeführertechnisch jemals passieren konnte!
Christof Leber