Lilli

Eingestellt auf BiN: 22.05.2008, Update: 31.12.10, letztes Update: 16.02.13


ist über die Regenbogenbrücke gegangen... Wir sind sehr traurig.

Geschlecht: Hündin (kastriert)
Geburtsdatum: 10.4.2004
Ansprechpartner:
Tierhilfe Seesen
Tel.: 05381/942535 + 0172/1011776
E-Mail: tierhilfe-seesen@web.de
Homepage: http://www.tierhilfe-seesen.de

Vor einiger Zeit wurde ich von "Belgier in Not" gebeten, eine Mali-Hündin zu begutachten, die schon sehr lange auf der Vermittlungsseite ist und einfach nicht vermittelt wird. Der Text zu ihr stammte von der Tierhilfe Seesen und war leider nicht so richtig aussagekräftig, ich erinnere mich, ihn damals auch gelesen und ein Kennenlernen verworfen zu haben, weil ich nicht genug Informationen über diesen Malinois bekam. An Athos' Pflegefrauchen hingegen wandte ich mich u.a., weil ihr Beitrag über Athos sehr offen und ehrlich, sehr kompetent und klar, war, was ich sowohl ihr als auch Alicia Waldow von BiN damals auch genau so sagte.

Offenbar wurde mir das und meine irgendwie schlecht verborgene Mali-Liebe entsprechend zum Verhängnis. Ebenso wie meine Unfähigkeit, in solchen Zusammenhängen "Nein" sagen zu wollen.
Heute also war ich in Seesen und besuchte Lilly, eine Mali-Hündin, der die Menschen, denen sie ausgeliefert war, bevor Silvia Quittkat von der Tierhilfe Seesen sie befreien konnte, mehr als nur schlimm zugesetzt haben.

Ich traf auf eine sehr unsichere bis ängstliche Hündin, die jedoch sofort auf mich zustürmte. Mit allem sichtbaren "Schiß in de Büx" wollte sie ganz offensichtlich doch nur zwei Dinge: Krauleinheiten und Leckerchen. Es war Zuneigung auf den ersten Blick, muß ich sagen. Die Lütte ist schlicht und einfach liebenswert, ich hätte sie, hätte mir meine Vernunft nicht anderes geboten, stante pede einpacken können, so sehr traf sie mein Herz.

Trotz der Angst, die ihr so offenkundig im Weg steht, mit der sie sich selbst im Weg steht, suchte Lilly immer wieder meine Nähe und natürlich die von Silvia Quittkat. Gibt man ihr Hinwendung welcher Art auch immer, spürt man sofort, wie sehr diese geschundene Kreatur das braucht und genießt, wie sehr sie es sucht, versucht, es zu bekommen.
Auf der einigen der während meines Besuches entstandenen Bilder sieht man jedoch das Gap, das ich meine, sehr gut. Man sieht und vor allem erlebt, wenn man mit Lilly zusammen ist, daß die Angst sich wie ein Gefängnisgitter um ihre Seele gelegt hat. Nicht selten macht sie unter sich, während sie einen Menschen umgarnt, nicht selten wird sie regelrecht hektisch, wenn sie auf andere Hunde trifft, obwohl sie die allgemein gar nicht alle schlimm findet. Nur einige. Nur die, die selbst hektisch sind. Nur die, die ihr nicht so richtig geheuer sind.
Hundlich betrachtet sehr folgerichtig neigt Lilly, wenn sie überfordert ist, zu entsprechenden Übersprungshandlungen. Passieren kann dabei beides, sie schnappt oder bricht in hellste Panik aus und sucht ihr Heil in der Flucht. Es tut richtig weh, das zu erleben. Zumal Lilly nicht verbergen kann, daß sie etwas ganz anders in gewissem Rahmen jetzt schon kann und vor allem will: das Leben genießen, toben, Spaß haben, arbeiten, mit Menschen zusammen sein, gefallen - kurz: ganz einfach Mali sein.

Ja, Lilly ist neben allem, was ihre furchtbare Vergangenheit mitbrachte, durchaus auch ein typischer Vertreter ihrer Rasse, wenn auch leider mit Handicaps.
Schnell, wendig, "machen wollend", anbietend und vieles mehr steht auf ihren Fahnen. Nur, daß sie nicht alles davon ausleben kann, einerseits wegen ihrer seelischen Nöte, andererseits wegen ihrer körperlichen Einschränkungen. Durch die furchtbare Haltung, in der sie, bevor sie zur Tierhilfe Seesen kam, SChlägen und vermutlich auch Starkzwang via Strom ausgesetzt war, leidet Lilly unter einer Arthrose, die sie sichtlich beeinträchtigt. Man sieht, wie sie immer wieder ihr Bein entlastet, Treppen zu laufen, ist ihr, so erzählte Silvia Quittkat völlig unmöglich und natürlich so gut wie jede Form des Hundesports.

Wenn man Lilly um sich hat, hat man immer wieder das Gefühl, sie "runterholen" zu wollen, damit sie sich nicht so furchtbar aufregt, daß man schwindelig wird, wenn man ihr zuschaut. Das Dumme ist, daß Lilly, obwohl sie in den Jahren bei der Tierhilfe Seesen in vielerlei Hinsicht wahre Quantensprünge machen konnte, nie richtig gelernt hat, den Streß, der durch fast alles in ihrem Alltag entsteht (das reicht vom Wechsel der Hunde, weil vierpfötige Pensionsgäste ein- und ausziehen über veränderte Gruppenzusammensetzungen der zu vermittelnden Artgenossen, die mit ihr auf dem Hof leben, bis hin zu einem ja eigentlich von ihr durchaus erfreut aufgenommenen Besuch wie den durch mich) wirklich zu "verpacken".
Ich bin sicher, daß Lilly mit viel Entspannungsübungen, mit viel ruhiger Führung, mit viel Geduld, mit viel Liebe, genau der Traumhund ist, der unter ihrem Angst-Panzer, der sie hemmt und lähmt, schon jetzt immer wieder durchschimmert.

Das Fatale ist, daß Lilly ein Malinois ist. Was bedeutet, daß sie Ansprüche an ihren Menschen stellt, den eben nur Malis so stellen, sie ist weder für einen Hundeanfänger geeignet, noch für Menschen, die nicht genau wissen, wie sie mit Hunden dieser besonderen Rasse umgehen müssen. Was aber auch bedeutet, daß die meisten Leute, die für Lilly infrage kämen, eine Erwartungshaltung haben werden, der sie nicht gerecht werden kann.

Lilly ist definitiv weder für den Wach- oder sonstigen Dienst geeignet, dazu ist sie körperlich zu krank und auch zu nervenschwach. Wie mein Malinois Athos ist Lilly für den Schutzdienst ebenfalls absolut nicht denkbar, wegen ihrer Arthrose, aber auch, weil sie ebenso extremes Meide- und Angstverhalten am Ärmel zeigt wie mein Belgier es bei einem Test durch einen versierten Diensthundetrainer tat. Er ist sich extrem sicher, daß Athos mit höchster Wahrscheinlichkeit massiv mit Strom traktiert wurde, daß Lilly auf einem Hundeplatz, auf den ihre ehemalige Halterin sie schleifte, mit Starkzwang gequält wurde, dafür gibt es sogar Zeugenaussagen.

Leider ist Lilly auch für die "Ersatzschiene" im Hundesport, als Agility-Hund zum Beispiel, nicht geeignet, auch hier steht ihre körperliche Konstitution dem entgegen.
Da die Hündin zudem auch keinerlei Erfahrung mit einem geregelten Wohnungsleben oder gar dem Leben in einer Familie hat, wäre es jedoch ohnehin die erste große Herausforderung, sie an genau diesen völlig normalen Hundealltag erst einmal zu gewöhnen. Lilly kennt nun einmal nur die Tierquälerei aus dem Leben bei ihrer früheren Halterin und jetzt das Leben bei der Tierhilfe Seesen, das nun einmal in einer Zwingersituation abläuft, auch wenn die Hunde erfreulich viel Auslauf haben. Geregelte Spaziergänge sind Lilly genauso wenig vertraut wie als einzelner Hund wirklich einen Menschen ganz für sich zu haben.

Hundekontakte kennt Lilly zwar, hat sie jedoch nicht allzuviel, weil sie schnell gestreßt ist und sich auch längst nicht mit allen Artgenossen versteht. Sie macht dabei keine geschlechtsspezifischen Unterschiede, mag jedoch aufdringliche Hunde nicht. Mit anderen Vierbeinern, die sie nicht bedrängen, kommt sie in der Regel klar. Eine Vermittlung zu einem kleinen Hund sollte jedoch in jedem Fall vermieden werden, da die Gefahr besteht, daß hier ihr Beutetrieb einsetzen würde. Da Lilly sehr streßanfällig ist, wäre auch eine Vermittlung in eine Hundegruppe nicht sinnvoll, ein einzelner Artgenosse wäre jedoch vermutlich kein Problem, wenn ein paar "Spielregeln" beachtet werden würden.
Es wäre denkbar, sie zu einem souveränen Ersthund zu vermitteln, wenn die Eingliederung behutsam erfolgen würde und der Artgenosse einer wäre, der lediglich friedlich koexistieren wollte. Im Idealfall sollte es ein Hund sein, an dem Lilly sich auch ein stückweit orientieren könnte.
Da Lilly ein geordnetes Wohnungsleben nicht kennt und schnell in Panik gerät, sollte sie auf keinen Fall zu Kindern vermittelt werden, ebenso dürfte es in ihrem neuen Zuhause keine Katzen geben, da sie diese, ebenfalls tendentiell "mali-typisch" zum Fressen gerne hat.

Ebenfalls mali-typisch bindet sie sich eng an "ihren Menschen", was mit sich bringen kann, daß sie ihn als Ressource betrachtet und Artgenossen gegenüber verteidigt. Gleiches gilt für Futter. Lilly ist auch an dieser Stelle nicht zum Teilen bereit und verhält sich, wenn sie für bedroht hält, was ihr gehört, auch schon einmal aggressiv. Ein entsprechendes, positiv aufgebautes Training wäre vonnöten, um diese Probleme langfristig tatsächlich zu lösen.
Auch eine Vermittlung in eine Stadtumgebung wäre nicht zu empfehlen, Lilly wäre auf dem Land, ohne viele Umweltreize definitiv am besten aufgehoben.
Ihr Mensch sollte am besten gar nichts von ihr erwarten und ihr viel Zeit lassen, sich einzugewöhnen, ihr jedoch dabei klare Strukturen bieten und konsequent mit ihr umgehen. Lilly braucht viel Liebe und Geborgenheit, aber eben auch viel souveräne Führung.